WIE LÄUFT ALSO EINE GANZ NORMALE PHYSIOLOGISCHE GERINNUNG AB?

Auf dieser Seite möchte ist so kurz wie möglich, aber auch so verständlich wie möglich den Ablauf der Gerinnung von dem Zeitpunkt der Verletzung bis zu dem Moment, wo die Wunde nicht mehr blutet und stabil verschlossen ist, so dass die Heilung beginnen kann, beschreiben. Aber wie sich jeder vorstellen kann, funktioniert es nur bei kleinen (Kapillargefäßen) - würde man die Aorta durchschneiden, bis die Gerinnung irgendetwas tun könnte..., ist der Patient bereits ausgeblutet - große Wunden können allein durch Gerinnungsvorgänge nicht verschlossen werden. Also stellen wir uns vor - du hast dich beim Gurkenschneiden in den Zeigefinger geschnitten (ca. 3-4 mm tief) - es beginnt natürlich sofort zu bluten (und weh tut's auch noch).

 

Und jetzt beginnen innerhalb von Sekunden zwei entgegengesetzte Systeme zu arbeiten:

 

GERINNUNG & FIBRINOLYSE  

 

Hämostase, also die Gerinnung hat zur Zeit noch viel mehr zu tun. Aber die Fibrinolyse steht schon in den Startlöchern.

Dabei unterscheiden wir die Primäre (zelluläre) Hämostase, die nach ca. 5 Minuten abgeschlossen sein sollte.

(Die Wunde blutet zwar jetzt nicht mehr, aber ist noch sehr empfindlich, so dass schon bei kleinsten Manipulationen, die Blutung wieder anfangen könnte. Grob gesagt - die Verletzungen an den Gefässen, die du dir durch den Schnitt zugezogen hast, sind alle mit großen Klumpen aus Thrombozyten zugestopft) - Bild 1. und Bild 2.

Wenn ich jetzt von Gefässen spreche, meine ich nicht die grossen, dicken Venen und Arterien. Hier geht es um ganz kleine Kapillargefässe, die unseren gesamten Körper durchziehen und mit Sauerstoff versorgen.

 

Bei der sekundären (plasmatischen) Hämostase bildet sich dann ein richtiger Schorf, der nicht mehr so empfindlich auf Berührung ist. Es kommt jetzt zur kontrollierten Blutgerinnung. Und nun beginnt auch schon die Fibrinolyse und Antikoagulation. Das schauen wir uns Schritt für Schritt an:

Es gibt 4 Hauptbestandteile der Hämostase:

  • als erstes sind es die Zellen (Thrombozyten)
  • dann brauchen wir Phospholipide und das liefern uns auch die Thrombozyten und kleine Membranvesikel von allen möglichen Zellen
  • jetzt brauchen wir noch eine ganze Menge an Proteinen im Plasma: 

           Gerinnungsfaktoren, antikoagulatorische Faktoren, fibrinolytische Faktoren

  • und dann ganz zum Schluß (oft gerne vergessen) einen wichtigen Cofaktor: das Calcium

Das alles wird für eine funktionierende Gerinnung gebraucht. 

primäre hämostase

Bild 1                                            Bild 2

 

Das erste Bild zeigt wirklich nur die Schritte der Primären Hämostase:

  • du hast dich geschnitten und dabei ein Gefäss verletzt
  • es kommt zur sofortigen Gefässengstellung (Vasokonstriktion)
  • Die Innenschicht der Gefässe ist mit Endothelzellen ausgekleidet
    • bei normalen Verhältnissen exprimieren Endothelzellen eine Menge Faktoren, die eine unnötige Gerinnung verhindern. Dazu gehören:
      • PGI2 (Prostaglandin-2) - hemmt die Aktivierung und Aggregation der Plättchen
      • NO (Stickoxid) - erweitert die Gefässe und hemmt die Aktivierung und Aggregation der Plättchen
      • Heparin-Sulfat - aktiviert das Antithrombin, welches viele Gerinnungsfaktoren hemmt
      • Thrombomodulin - ändert die Funktion von Thrombin zum Aktivator der Antikoagulantien (Protein C)
      • TFPI - Tissue Factor Pathway Inactivator - hemmt den TF/VIIa/Xa-Komplex
  • die Endothelzellen liegen auf einer Matrix aus Kollagen, das nach der Verletzung jetzt frei liegt, weil die Endothelzellen mehr oder weniger weg oder kaputt sind.
  • die im Plasma schwimmenden, ruhenden Thrombozyten tragen eine ganze Menge an
    • Rezeptoren:
      • GP Ia/IIa - direkter Kollagenrezeptor
      • GP VI - direkter Kollagenrezeptor
      • GP Ib/V/IX - bindet den vWF, der bereits an Kollagen gebunden ist
      • GP IIb/IIIa - bindet Fibrinogen und vWF
    • und beinhalten alpha-Granula (mit vWF, Fibrinogen, FV) und dense-Vesikel (mit ADP). Diese Substanzen werden bei der Aktivierung ausgeschüttet und verstärken ihrerseits die Thrombozytenaktivierung weiter
  • das nun freiliegende Kollagen (Endothelzellen sind ja weg) fängt über den GP VI Rezeptor die ersten Thrombozyten und auch den von Willebrand Faktor (vWF), der im Plasma vorhanden ist und es beginnt die Plättchenaktivierung:
    • Kollagen - aus dem verletzten Gefäss
    • ADP - aus den dense-Granula - autokrin und parakrin, also örtlich sehr begrenzt
    • Thromboxan A - aus den aktivierten Plättchen
    • Thrombin - aus der bereits angeworfenen plasmatischen Gerinnung
  • und der vWF schnappt sich über den GPIb-Rezeptor weitere Thrombozyten
  • an diesen jetzt schon recht aktivierten Thrombozyten binden über das GP IIb/IIIa mit vWF und Fibrinogenfasern, weitere Thrombozyten - Adhäsion und Formwechsel - von kugelig zu stachelig 
  • jetzt ist schon eine ganze Menge an aktivierten und stacheligen Thrombozyten da, und das führt zur Aggregation
  • nebenbei wird auf den aktivierten Thrombozyten Phosphatidylserin exprimiert, welches die Enzymreaktionen der Gerinnungsfaktoren unterstützt
  • Und schon haben wir den "Thrombozytenklumpen", der die Blutung mal provisorisch stoppt

 

 

To be continued... (aber jetzt können wir kurz durchschnaufen - es blutet im Moment nicht mehr :-)

Sekundäre Hämostase

Durch die Gewebsverletzung wird gleichzeitig Gewebsthromboplastin (Tissue Factor) freigesetzt. Das aktiviert den FVII zu FVIIa und startet den extrinsischen Weg der Gerinnungskaskade. Alternativ dazu kann auch der intrinsische Weg durch die Aktivierung von FXII (FXIIa) initiiert werden. Damit ist die Plasmatische Gerinnung aktiviert und diese hat die Aufgabe, den Thrombozytengerinsel durch Fibrinfäden zuerst gut zu "verschnüren". Durch den FXIIIa wird durch kovalente Bindungen zwischen den Fibrinfäden, der reine Thrombozytengerinsel stabilisiert. Durch den gleichen Mechanismus wird das bereits stabile Gerinnsel durch die Bindung an diverse Adhäsionsproteine an der Verletzungsstelle festgemacht.

Nach aktuellen Erkenntnissen ist in vivo eine Trennung zwischen zellulärer und plasmatischer Gerinnung nicht möglich.

 

Die Gerinnungskaskade:

(ja, die übersichtliche und von allen geliebte Gerinnungskaskade) - sie kann allerdings ganz nützlich sein, wenn man wissen möchte, wie die Gerinnungstests funktionieren und welche Parameter damit gemessen werden.

 

Durch das Anspringen der plasmatischen Gerinnung passiert folgendes:

der FIIa (das Thrombin) aktiviert bei weitem nicht nur die Umwandlung von Fibrinogen zu Fibrin. Es aktiviert rückkoppelnd den FVIII zu FVIIIa, FXI zu FXIa, der wiederum den FIX zu FIXa und damit wird die Bildung der extrinsichen Tenase verstärkt, die zusammen mit der intrinsichen Tenase (FVIIa + TF) den FX zu FXa aktivieren und der aus Prothrombin in Thrombin umwandelt. So sind wir jetzt wieder beim Thrombin. Dieses Enzym kann noch mehr ausser aus Fibrinogen Fibrin zu machen. Diese Rückkopplungsmechanismen sind sehr effizient und was auch gleichzeitig passiert ist die Aktivierung der Fibrinolyse. Ohne gleichzeitige Antikoagulation und Fibrinolyse würde das Blut ungehindert einfach immer weiter und weiter gerinnen...