Die funktionellen Bestandteile eines Erythrozytenkonzentrats sind die roten Blutkörperchen, die Erythrozyten. Sie sind für den Transport von Sauerstoff im Körper zuständig. Ein Mangel an Erythrozyten wird als Anämie bezeichnet und äußert sich je nach Schweregrad in Blässe, Herzrasen, verminderter Belastbarkeit und Kurzatmigkeit. Der genaue Wert, ab dem ein Patient mit Erythrozyten substituiert werden muss, lässt sich nicht einheitlich festlegen. Eine sich langsam entwickelnde Anämie, z. B. aufgrund einer okkulten Magen-Darm-Blutung oder im Rahmen einer Leukämie, verursacht weniger bis keine Beschwerden. Eine akute Blutung hingegen ist ein lebensbedrohlicher Zustand, der sofort behandelt werden muss, wobei hier der Schwerpunkt auf dem Volumenersatz liegt. Zusätzliche Erkrankungen wie KHK und das Alter des Patienten müssen ebenfalls berücksichtigt werden.
Die meisten Leitlinien empfehlen einen Transfusionsgrenzwert von 7-9 g/dl Hb. Entscheidend ist jedoch immer der klinische Zustand des Patienten - der physiologische Transfusionstrigger. Die Indikation für die Verabreichung von Erythrozytenkonzentraten sollte immer sehr streng gestellt werden.
Ein normales Erythrozytenkonzentrat hat ein Volumen von ca. 300ml, der Hämatokrit liegt bei 50-70%, und die Zellen sind in einer Additivlösung (SAG-M) aufgeschwemmt, die den Plasmagehalt auf ein Minimum reduziert. In Österreich sind nur leukozytendepletierte Erythrozytenkonzentrate zugelassen. Diese Maßnahme minimiert das Auftreten von GvHD und die Übertragung von zellgebundenen Viren (CMV).
Zusätzlich behandelte Erythrozytenkonzentrate und ihre Indikationen:
Durch Zentrifugieren und 1-2-maliges Resuspendieren der Erythrozyten in einer isotonen Lösung werden die meisten Plasmaproteine entfernt. Stoffe wie Kalium, die während der Lagerung aus den Zellen austreten und sich in der Additivlösung anreichern, können so ebenfalls entfernt werden. Die wichtigsten Indikationen für eine solche Behandlung von Erythrozyten sind intrauterine Transfusionen oder bei Patienten, die eine allergische Reaktion auf Plasmaproteine gezeigt haben.
Gewaschene Erythrozyten müssen innerhalb von 12 Stunden transfundiert werden.
Insbesondere für die intrauterine Transfusion wird das gewaschene Erythrozytenkonzentrat zusätzlich bestrahlt. Durch die Bestrahlung werden auch die restlichen Leukozyten inaktiviert. Dadurch verhindert man, dass ein immunsupprimierter oder immuninkompetenter Patient eine GvHD (Graft versus Host Disease) entwickelt. Welche Patienten unter diese Definitionen fallen ist je nach Krankenhaus unterschiedlich. Im Jahr 2020 wurden die Indikationen für bestrahlte EKs stark reduziert. Leukämiepatienten vor und nach einer Stamzelltherapie, Kinder bis ca. 6. Lebensmonat und Patienten mit primären Immundefekten sollten auf jeden Fall bestrahlte Erythrozytenkonzentrate bekommen. Eine Zusammenfassung der Indikationen aus den Österreichischen Hämotherapierichtlinien kann hier abgerufen werden.
Und wer ganz genau wissen möchte, wann und warum bestrahlte EKs indiziert sind, der sollte sich die Britischen Richtlinien aus dem Jahr 2020 durchlesen:
Wenn man sich unsicher ist, sollte man immer bedenken: die Bestrahlung schadet niemandem - auch nicht den Zellen - eine TA-GvHD (TransfusionsAssozierte Graft versus Host Disease) bringt die Patienten fast immer um. Allerdings steht die Versorgung des Patienten mit Blut an erster Stelle. Auch bei einer "harten" Indikation soll auf die Bestrahlung verzichtet werden, wenn der Patient notfallmäßig Blut braucht.
Interessant ist auch noch, dass es bisher keine Berichte über TA-GvHD gegeben hat, nach Transfusion von Blut, welches älter als 14 Tage war. Offenbar überleben die Leukozyten nicht so lange im EK.
Bestrahlte Erythrozytenkonzentrate sind nach den Österreichischen Richtlinien 14 Tage lang haltbar. Andere Institutionen haben teilweise abweichende Haltbarkeitskriterien, die zwischen 24 Stunden und 14 Tagen variieren.
Patienten, die irreguläre Antikörper entwickelt haben – nach früheren Transfusionen oder durch eine Schwangerschaft - müssen Erythrozytenkonzentrate bekommen, die das Antigen, gegen das sich der Antikörper richtet, nicht haben. Für die meisten Antigene ist das kein großes Problem. Handelt es sich aber um ein sehr häufiges Antigen (es gibt also nur wenige Spender, die das Antigen nicht haben) oder um ein Antikörpergemisch, kann die Blutversorgung solcher Patienten schwierig sein und erfordert oft die Zusammenarbeit mehrerer Institute.
Babybeutel werden aus einem üblichen Erythrozytenkonzentrat, das maximal 5 Tage alt sein darf, hergestellt. Ein Erythrozytenkonzentrat wird auf vier Babybeutel aufgeteilt.
Die europäischen Länder legen besonders viel Wert auf die kurze Liegezeit der Babybeutel - eben max. 5 Tage. Andere Länder haben dagegen einen anderen Zugang dazu - weil sehr viele solcher Konserven an Frühchen ausgegeben werden, wird dort eine ganz frische Blutkonserve genommen und dem einen Kind zugeordnet. Immer, wenn das Kind nun Bluttransfusionen braucht, wird es aus der gleichen Konserve entnommen, bis sie abgelaufen ist. Auf diese Weise reduziert man die Spenderexposition bei den Kindern.
Ob eine der Methoden besser ist als die andere wird sicher noch lange offen bleiben.
Die Leitlinien zur Behandlung von Patienten mit Blutprodukten (Hämotherapie) wurden bereits vor fast 15 Jahren von dem KAV (Krankenanstaltenverbund) in Wien rausgebracht und hätten die Grundlagen für die Verwendung der Blutprodukte zumindest in Landeskrankenhäusern in Wien. Ob das dann wirklich so passiert ist, wage ich zu bezweifeln. Nachdem Transfusionsmediziner alles Mögliche machen, nur keine Transfusionen geben, sind wir mehr oder weniger auf die Einstellung des einzelnen Arztes angewiesen. Bei Blutkonserven habe ich vor noch nicht so vielen Jahren in einem Wiener Krankenhaus den klassischen Spruch "eine ist keine" gehört. Einzelne Erythrozytenkonzentrate wurden praktisch gar nicht verabreicht - es waren immer mindestens zwei.
Dann kamen Deutsche Leitlinien raus und das PBM (Patient Blood Management) begann sich sogar in die Köpfe von Chirurgen einzuschleichen. Mittlerweile gibt es einen enormen Rückgang bei dem Verbrauch von Blutkonserven, aber... es gibt noch genug zu tun.
Blutprodukte sind Notfallmedikamente und sollen auch als solche eingesetzt werden. Wenn meine Tante ein künstliches Gelenk braucht und die OP ist für 4 Monate im Voraus geplant und die Tante ist anämisch, dann sollte an Blutkonserven gar nicht gedacht werden. Vielmehr sollte im Vordergrund die Frage stehen, warum ist die Tante anämisch. Und dann wird die Ursache der Anämie behandelt.
Seit Juni 2019 gibt es auch österreichische Hämotherapierichtlinien, herausgegeben von der ÖGBT.