ORGANTRANSPLANTATION

Hier ist die Cadaverspende, also Organspende eines Verstorbenen gemeint. Wie ein Spender zu Spender wird und wie die legistischen Vorgaben bei der Feststellung des Todes definiert sind, das ist von Land zu Land unterschiedlich.

Wenn sich jemand für diese Details und für die genauen Vorgaben bei der Allokation interessiert, verweise ich gleich auf den professionellen Teil von Eurotransplant

 

Ich beschreibe hier das Vorgehen bei der Organtransplatation in Innsbruck. In Innsbruck werden alle soliden Organe sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern transplantiert. Eine Ausnahme sind Kleinkinder (< 2 Jahre). Nachdem solche Operationen eher selten sind, werden bestimmte Organe immer nur in einem Zentrum transplantiert. Nieren- und Lebertransplantationen werden in Innsbruck durchgeführt, Herzen und eventuell Lunge in Wien. Dadurch kann ein Zentrum die nötige Expertise in einem Gebiet aufbauen.

NIERENTRANSPLANTATION LEBERTRANSPLANTATION HERZTRANSPLANTATION
LUNGENTRANSPLANTATION PANKREASTRANSPLANTATION MULTIORGANTRANSPLANTATION

Jeder Patient, der seine Organfunktion unwiederbringlich verloren hat, und in der körperlichen und psychischen Verfassung ist, ein transplantiertes Organ anzunehmen, kann von seinem behandelnden Arzt für eine Transplantation angemeldet werden. Die gesundheitliche und psychische Eignung muss bereits abgeklärt worden sein. Es muss ausgeschlossen werden, dass eine maligne Erkrankung vorliegt oder eine chronische Infektion - beide Situationen könnten für den Patienten nach Beginn der Immunsuppression schnell zu einer tödlichen Falle werden. Bei manchen Patienten muss in einer psychologischen Untersuchung geklärt werden, ob ihm Bewusst ist, dass er für den Rest seines Lebens regelmässig und zuverlässig Medikamente einnehmen muss. Das erfolgt in der Klinik.

Bei einer Lebendspende ist die psychologische Beurteilung des Spenders und Empfängers obligatorisch.

Vor der eigentlichen Listung muss auch noch der immungenetische und immunologische Status erhoben werden. Das wird in unserem HLA-Labor/Gewebetypisierung gemacht. Es werden die HLA-Merkmale typisiert. Bei Patienten, die neu auf die Warteliste aufgenommen werden, wird seit Jänner 2022 eine vollständige 11-Loci high resolution (2-Feld) Typisierung mittels NGS durchgeführt. Die Patienten, die sich bereits auf der Warteliste befinden, werden nach und nach ebenfalls 2-Feld typisiert.  Ausserdem wird der HLA-Antikörperstatus des Patienten getestet. 

Die vollständige Typisierung umfasst HLA-A, B, C, DRB1, DRB3/4/5, DQA1, DQB1, DPA1, DPB1. Derzeit wird nur nach den A, B und DRB1 Loci alloziert (gematched). Allerdings wird seit dem 24.01.2023 der Spender in intermediärer Auflösung bei Eurotransplant gemeldet. Auch Patienten können jetzt in den Loci A, B und DR in high resolution angegeben werden. 

 

TYPISIERUNG:

In Innsbruck werden Patienten nur noch mit molekular-genetischen Methoden typisiert. Seit Jänner 2022 wird jeder neue Patient, der auf die Transplantationswarteliste aufgenommen wird, mittels NGS in allen 11 Loci typisiert. Eine Ausnahme sind Patienten, die auf eine Leber warten. Bei der Leber wird nicht nach HLA-Merkmalen gematched, sondern nach Blutgruppe, Alter und anderen Faktoren, die auf der Eurotransplant-Webseite im Manual nachgelesen werden können.

 

UNAg UND HLA-ANTIKÖRPER:

Wichtiger als die HLA-Übereinstimmung sind HLA-Merkmale, die ein Empfänger nicht bekommen darf - die unacceptable antigens (UNAg). Das sind HLA-Merkmale gegen die der Patient bereits immunisiert worden ist - durch vorhergehende Transplantationen, Transfusionen oder bei Frauen durch Schwangerschaften. 

Aus diesem Grund wird bei jedem Patienten ein HLA-Antikörper-Screeningtest gemacht. In unserem Labor machen wir dafür einen ELISA, der Klasse I und Klasse II getrennt nachweist. Ist der Screeningtest positiv, wird das Serum des Patienten mittels Single Antigen (SA)-Luminex getestet, um die Antikörperspezifitäten zu ermitteln.

 

Je nach Vorgeschichte des Patienten gibt es unterschiedliche Entscheidungswege:

  • Retransplantation: wurde der Patient bereits mal transplantiert und er verlor die Organfunktion, ist er meist gegen die HLA-Merkmale des vorherigen Spenders, die nicht mit seinen eigenen übereinstimmen, sensibilisiert. Diese Merkmale werden als Repeated mismatch bezeichnet und als UNAG definiert und an Eurotransplant gemeldet. Auch die HLA-Merkmale, gegen die kreuzreagierende Antikörper nachweisbar sind, sollten als UNAG gemeldet werden. Die Information über frühere Transplantationen und die Typisierung der Spender findet man über einen autorisierten Zugang in der Patientenakte auf der Eurotransplant-Webseite.
  • Schwangerschaften: bei Patientinnen, die bisher noch nicht transplantiert waren, aber durch Schwangerschaften sensibilisiert wurden, müssen die HLA-Merkmale des Kindsvaters bestimmt werden. Wenn dieser nicht verfügbar ist, können auch die Kinder selbst typisiert werden. Auch hier werden analog zu einer Retransplantation die HLA-Merkmale, die nicht mit den patienteneigenen übereinstimmen, und gegen die Antikörper nachweisbar sind, als UNAG gemeldet.
  • Transfusionen: obwohl in Österreich seit dem Jahr 2000 alle Blutprodukte leukozytendepletiert sein müssen - es dürfen maximal 1x10^6 in einem Blutprodukt (Erythrozyten- oder Thrombozytenkonzentrat) vorhanden sein - können Transfusionen auch zu einer Sensibiliesierung gegen HLA-Antigene führen. Bei Thrombozytenkonzentraten ist es nicht so überraschend, da Thrombozyten zumindest Klasse I Antigene exprimieren. Wie es aber dazu kommt, dass die Patienten nach Erythrozytentransfusionen gegen HLA-Antigene sensibilisiert werden, ist nicht endgültig geklärt. Die Definition von UNAG bei diesen Patienten stellt deshalb auch eine besondere Herausforderung. Da die Blutspender in der Regel nicht typisiert sind, kann nicht bestimmt werden, welche Antikörper wirklich spezifisch sind. Auch finden sich bei diesen Patienten Antikörper mit sehr breiten Spezifitäten. Hier ist die Testung des Patientenserums auf zytotoxische Antikörper im Rahmen vom Quartalscreening sehr hilfreich. Eine Immunisierung gegen HLA-Antigene mit den leukozytendepletierten Erythrozytenkonzentraten ist meist nur schwach. Oft verschwinden auch diese Antikörper nach einer Weile. Es macht einen Unterschied, ob man über Monate, wie im Fall einer Schwangerschaft oder Jahre bei einem transplantierten Organ, mit den fremden HL-Antigenen in Kontakt ist. Bei einer Transfusion verschwinden die Leukozyten wieder schnell aus dem Körper. Je häufiger jemand transfundiert wird, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass er HLA-Antikörper entwickelt. Was aber ganz sicher durch eine Transfusion passieren kann, ist dass bestehende Antikörper geboostert werden - der Titer steigt. Transfusionen werden als potenzielle Immunisierungsereignisse vor einer Transplantation immer berücksichtigt - der Patient gilt dann nicht mehr als immunologisch naiv - auch wenn keine Antikörper nachweisbar sind.

QUARTALSCREENING:

Das Quartalscreening ist für alle Zentren, die mit Eurotransplant zusammen arbeiten, verpflichtend. Es dient zur Bestimmung von zytotoxischen Antikörpern bei Nierenempfängern. Patienten, die für ein anderes Organ gelistet werden, sollten zumindest einmal jährlich hier mitgetestet werden. 

Dabei wird jeder Patient mit 50 "Spendern" gekreuzt. Die Spender sind Freiwillige, die eine EDTA-Blutprobe bei uns abgeben, aus der Lymphozyten isoliert werden. Genauso wie bei einer Kreuzprobe vor der Transplantation wird das Serum des Empfängers mit den Lymphozyten der 50 Spender gekreuzt. Daraus werden die PRAs berechnet - Panel Reactive Antibodies. Reagiert das Empfängerserum mit 10 der Spender, hat er einen PRA von 20% (10 von 50). Die Aussage dabei ist gegen wie viele potenzielle Spender hat der Patient zytotoxische Antikörper. Bei 20% wären zwei von zehn Spendern inkompatibel.

Quartalscreening war bis zum 24. April 2023 mit Versand von Seren verbunden. Es wurde von jedem Patienten, dessen PRA größer/gleich 5% hat, Serum an alle Spenderzentren im Eurotransplant-Verbund verschickt. 

Hatte ein Zentrum einen Spender an Eurotransplant gemeldet, bekam es die Allokationsliste. Dann wurde mit dem Serum der gelisteten Empfänger ein Kreuzversuch gemacht - die Allokationskreuzprobe. Dafür wurden die verschickten Seren verwendet. Erst wenn diese Kreuzprobe negativ war, wurde das Organ an das Zentrum des Empfängers verschickt. Dadurch konnte unnötige Transportzeit eingespart werden. 

Seit dem 24. Jänner 2023 wurde eine sehr große Änderung bei der Meldung der UNAg und bei der Typisierung der Spender eingeführt. Der Spender wird nicht mehr in low resolution gemeldet, sondern in high resolution und allen 11 Loci. Da man mittels RT-PCR die dabei auftretende Ambiguitäten (mögliche Varianten) nicht ausschliessen kann, werden auch diese bei der Typisierung angeführt. Die Seren der immunisierten Patienten wurden im Jänner noch ein letztes Mal zumindest an deutsche Zentren verschickt - als Übergangsphase. Bei der Meldung der UNAg ist es jetzt möglich diese auf Allelebene zu melden und sie wurden auf die bisher nicht berücksichtigten Loci ausgeweitet: DQA, DPB und DPA.

Das Quartalscreeening ist ein großer logistischer Aufwand. Es müssen von allen Patienten Seren eingeholt werden - das geschieht meistens über die Dialyse-Zentren. Seit dem 24. April 2023 ist zumindest der Versand weggefallen. Das war durch die Einführung des virtuellen Crossmatch möglich, das nun das Allokations-Crossmatch ersetzt.

Die Ergebnisse des Quartalscreenings müssen in die Eurotransplant-Datenbank eingegeben werden. Patienten auf der Nieren-Warteliste, die zwei Quartalscreenings vepasst haben, bleiben zwar gelistet, werden aber bei der Allokation nicht berücksichtigt.

ORGANANGEBOT UND DIE KREUZPROBE:

Die Logistik und Organisation von der Transplantation wird durch die Transplantkoordination durchgeführt. Sie kontaktieren auch den Patienten, um ihn einzuberufen. Gerade in der Corona-Zeit passierte es mehrmals, dass eine Transplantation nicht statt finden konnte, weil der Patient positiv getestet wurde. 

Im Optimalfall kommt der Patient so früh ins Krankenhaus, dass die Entscheidungs-Kreuzprobe (Decisive Crossmatch) mit dem Serum vom Aufnahmetag gemacht werden kann. Ist es nicht möglich, werden die letzten zwei Seren von Quartalscreening verwendet. Erst wenn diese Kreuzprobe negativ ist, darf eine Niere transplantiert werden. Nur bei Nieren und Pankreas-Transplantation wird eine präoperative Kreuzprobe benötigt. Bei allen anderen Organen kann sie auch nachträglich gemacht werden. Ausserdem geht der Trend immer weiter Richtung virtuelle Kreuzprobe. 

Bei der virtuellen Kreuzprobe wird der Antikörperstatus des Patienten mit der Typisierung des Spenders abgeglichen. Liegen beim Empfänger keine Antikörper gegen den Spender vor, gilt die Kreuzprobe als negativ.

Der Vorteil liegt in der Zeitersparnis - die lymphozytotoxische Kreuzprobe dauert ungefähr vier Stunden - in dieser Zeit ist das Organ gekühlt aber nicht durchblutet, was die Qualität mindert. Der Nachteil oder besser die Gefahr ist eine unerwartet positive Kreuzprobe, die im schlimmsten Fall zur hyperakuten Organabstoßung führt. Das kann an einer plötzlichen Änderung des Antikörperstatus des Patienten liegen, aber auch an einer Fehltypisierung beim Spender.

Insgesamt ist aber die Wahrscheinlichkeit einer solchen positiven Kreuzprobe sehr gering.

Zuletzt bearbeitet am 07.03.2024